Mode bedeutet Begehren, auch in der Slow Fashion – Interview mit Thekla Wilkening: Teil 1 #prePeek

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Die Kleiderei-Gründerin Thekla Wilkening hat Bekleidung, Technik & Management an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg studiert und vorher eine Ausbildung zur Bekleidungstechnischen Assistentin in Köln absolviert. In ihrer Bachelorarbeit entwickelte sie verschiedene Konzepte, die die faire Mode attraktiver machen sollen. prePeek war eines davon. Mittlerweile ist aus dem Konzept Realität geworden und es wurde bereits mehrmals zur Berlin Fashion Week auf der Messe Ethical Fashion Show umgesetzt. Wie man mit Instagram Werte schaffen kann und wie faire Mode noch nachhaltiger wird, erzählt Thekla im Interview mit Lea Wittich.

Du hast das Konzept für prePeek im Rahmen deiner Bachelorarbeit entwickelt. Wie kamst Du auf die Idee und was genau sind die Ziele?

Ich arbeite schon länger mit Max (Anmerkung: Max Gilgenmann) zusammen, der technischer Leiter bei der Ethical Fashion Show ist. Es ist immer schwierig neben dem normalen Kleiderei-Geschäftsbetrieb noch umfassende Konzepte zu entwickeln, deswegen kam es ganz passend, die Konzeptentwicklung mit meiner Bachelorarbeit zu verbinden.

Ziel war es für uns sowohl die Messe, die im Vergleich zu den anderen Messen der Berlin Fashion Week sehr klein ist, und natürlich auch die öko-fairen Labels zu stärken. Wir haben in der Kleiderei gemerkt, wie schwer es manchen Labels fällt, zu verstehen, wie gut es für sie ist, wenn sie bei uns im Fundus sind; dass es ein Teil ihrer Marketingstrategie sein kann. Man kann es ja auch niemandem verübeln, dass Produktmarketing hintenüberfällt, wenn man seine ganze Lieferkette konstant überprüft.

Das waren die zwei Ziele: Einerseits einen Benefit für die Messe zu schaffen und gleichzeitig, den Labels zu helfen. Also nicht ein Konzert für die Messe zu organisieren, damit mehr Leute kommen, sondern wirklich etwas Nachhaltiges zu schaffen; dass Informationen gesammelt werden, Fotos geteilt werden und die Labels bekannter werden.

Könnte man sagen, dass prePeek vor allem die Entwicklung der Fair-Fashion-Branche hin zur attraktiven Kaufoption fördern will, die auch visuell konkurrieren kann?  Mit anderen Worten weg von der reinen Auseinandersetzung mit der Produktion?

Genau. Ich habe jetzt ja fast zehn Jahre Ausbildung in dem Bereich hinter mir. Und da fragt man sich immer wieder „Warum kaufe ich das? Wie entwickeln sich Trends?“

Am Anfang sind wenige Konsumenten bei Trends dabei und erst viel später gelangen diese in den Massenmarkt. Trends funktionieren vor allem visuell. Am Ende muss etwas gesehen werden. Entweder auf der Straße oder heutzutage – Gott sei Dank –  auch bei Instagram, damit sich etwas Stück für Stück in den Köpfen festsetzt.

Wenn die Fair Fashion nicht sichtbar gemacht wird, dann setzt sie sich auch nicht fest und wird nicht gekauft. Beziehungsweise ist die Mode keine Branche, die ihre Gewinne daraus zieht, zu verkaufen was man braucht. So würde auch die Fair Fashion Welt nicht überleben. Sondern man muss Begehren schaffen, sodass der Kunde für Produkte Geld ausgibt, auf die er theoretisch verzichten könnte, aber nicht möchte. Und da ist Visualität, die Begehren auslöst, das Wichtigste.

Wenn man kritisch sein möchte, könnte man fragen, ob faire Mode die gleichen Wirkmechanismen wie die konventionelle Mode haben sollte. Sprich, wenn der Hintergrund nicht mehr im Fokus ist, ist faire Mode oberflächlich nichts anderes als konventionell produzierte Mode. Es läuft also wieder auf Oberflächlichkeit hinaus, dabei ist es doch gerade ein Anliegen der Fair Fashion Bewegung einen kritischen Konsumenten hervorzubringen?

Ja das ist auch der Teil, wo ich mich bei meiner Bachelorarbeit fast verrannt habe! (lacht) Aber am Ende einer Arbeit kritisiert man sich ja immer selbst und darüber könnte man schon wieder eine neue Arbeit schreiben.

Das Marketing durch Vorbilder widerspricht natürlich hundertprozentig einem bewussten Konsum. Da stimme ich Dir zu! Aber das Schmücken des Menschen, das Sich-Abgrenzen und Mode als Ausdruck zu benutzen gab es schon immer. Und ich finde, nur weil das in der Mode heutzutage auf ein Maß getrieben wird, das völlig übertrieben ist, darf man das der Mode nicht absprechen.

Denn Identifikation mit Vorbildern ist irgendwann doch wieder bewusst. Ich kann mich bewusst schwarz kleiden und mich existentialistisch fühlen. Oder ich kann mich bewusst bunt kleiden, weil ich gerne im Raum auffalle. Insofern glaube ich, solange das in einem gewissen Maß passiert, ist es richtig. Deswegen ist es wirklich etwas, das sich die Fair Fashion Branche abgucken darf. Es darf nur nie so übertrieben werden.

Die Person, die bei #prePeek das Foto zeigt, soll auch selbst dahinterstehen, damit eine ehrliche Identifikation mit den Produkten stattfindet und damit auch eine Identifikation mit dem Stil – wie man es zum Beispiel in der Musik hat. Aber wo ich Dir recht gebe, ist, dass ich nicht möchte, dass alles bezahlt wird und so die Grenzen verschwimmen. Das hat dann nichts mehr mit Bewusstsein zu tun.

Thekla Wilkening, Marie Nasemann und Pola Fendel auf der Ethical Fashion Show 2018

Wieso hat sich die Kleiderei dazu entschieden das prePeek-Konzept an die Fashion Changers abzugeben?

Das waren eigentlich ein Zeit-, und auch ein finanzieller Grund. Wenn man nicht die größten Sponsoren ranholt, die alles bezahlen, sondern alles ein bisschen bewusster passieren soll, muss viel mehr oder weniger ehrenamtlich passieren. Es muss eine Win-win-Situation entstehen. Da war das für uns einfach logisch. Ich bin ja keine Bloggerin. Die Mädels dazu zu holen (Anmerkung: die Fashion Changers sind die 3 Bloggerinnen Vreni Jäckle, Nina Lorenzen und Jana Braumüller) war sehr naheliegend, weil es auch für sie eine Plattform ist. Sie müssen sich als Bloggerinnen schließlich auch immer austauschen, netzwerken und brauchen ein Zusammentreffen, damit sie nicht in der virtuellen Welt untergehen. Und insofern ist das eine ganz schöne Arbeitsteilung. Sie arbeiten dort mit den Fotografen zusammen mit denen sie eh arbeiten und können gleichzeitig umsetzen, dass Fotos gemacht werden.

Und wir kümmern uns eher um Vor- und Nacharbeit und das Konzeptuelle dahinter, was sowieso mein Job ist. Im ersten Jahr habe ich die praktische Umsetzung selbst gemacht und das war viel zu viel! Die Fashion Changers können daraus einen größeren Nutzen ziehen. Die haben ihre Plattform und können die Fotos benutzen, während das bei der Kleiderei irgendwann zu komplex wird.

Es gab die Idee, das Konzept von #prePeek auszubauen, indem auch nach der Messe Teile an ausgewählte Blogger ausgeliehen werden, um tiefergehendes Feedback zu erhalten. Was hat es mit dieser Idee auf sich und inwieweit wurde sie bereits umgesetzt?

Da arbeiten wir immer noch dran – solche Konzepte brauchen Zeit und Anlauf. Es gibt zwei Schienen, die wir unbedingt noch realisieren wollen. Erstens möchten wir einen Abend für Einkäufer (Anm.: Einkäufer, die für Shops etc. einkaufen) organisieren und wir möchten zweitens ein längerfristiges Feedback entweder von Kleiderei-Kundinnen oder Bloggern bekommen. Aber dazu brauchen auch die Labels sehr viel Vorlauf, da die ihre Kollektionen vor der Produktion häufig nur ein bis zwei Mal zur Präsentation haben und man da nicht einfach sagen kann „Ich nehm‘ euch das ein halbes Jahr weg!“. Die Labels brauchen das für Shootings, Lookbooks usw. Es ist uns sehr wichtig, dass das hoffentlich im Sommer klappt, aber wir müssen da Schritt für Schritt vorgehen.

Mein persönlicher Traum ist, dass zum Abschluss das Gespräch mit den Einkäufern geführt wird. Da möchte ich eigentlich hin: dass auch der Einkauf in den Stores unkonventioneller wird. Viele Kunden beschweren sich, dass die Produkte, die am Ende in den Läden hängen eher Basics sind. Was man verstehen kann, da es sehr schwierig ist, Produkte zu kaufen, die sehr besonders sind. Was für die Designer wiederum frustrierend ist. Die Key-Pieces der Kollektionen werden dann nicht geordert. Deswegen ist es mein Ziel am Abend das Feedback von den Bloggern vor den Einkäufern vortragen zu können, damit die sich trauen Sachen zu bestellen, die sie sonst nicht geordert hätten. Aber dabei kommt leider zum Tragen, dass parallel die Fashion Week läuft. Das heißt es ist immer unglaublich viel los. Und das ist auch das größte Hindernis: So cool es ist, dass die Messe parallel zur Fashion Week läuft, man muss alles sehr kompakt halten. Da allen Einkäufern zu sagen „Kommt am Ende mal vorbei“ ist sehr schwierig.

Du hast Bekleidung, Technik & Management an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg studiert. Wann hat sich deine kritische Haltung gegenüber der konventionellen Modeindustrie eingestellt und wurde diese Haltung an deiner Hochschule vertreten?

Das Gefühl dafür hatte ich schon lange; im Abitur oder kurz danach. Da habe ich kaum noch Fast Fashion gekauft, sondern eher Second Hand. In meinem Freundeskreis war das normal. Uns war Musik wichtig, ich habe viel gelesen, da kam ich gar nicht mehr drum herum, die Mechanismen der Industrie zu hinterfragen. Aber zu dem Zeitpunkt war das eher emotional, würde ich sagen.

Meine Ausbildung, war sehr generalistisch, da habe ich noch einen richtigen Arbeitsgang für eine Bluse schreiben müssen, musste selber einkaufen, nähen. Alles von vorne bis hinten. Und das hat dann mitunter ein halbes Jahr gedauert. Da war die Vorstellung absurd, dass jemand sagt „Komm ich geb‘ dir 20 Euro dafür“. Auch wenn ich 200.000 davon produziert hätte, fände ich 20 Euro immer noch zu billig.

Wobei ich sagen muss, das hat nicht alle Studenten so getroffen. Es gab auch viele, die doch online shoppen bei Zara – im Unterricht. Das ist dann doch eine sehr individuelle Entscheidung gewesen.

Und dann kam der Einsturz vom Rana-Plaza 2013, der einen dann wirklich wachgerüttelt hat.

Aber ich muss sagen, weder in meiner Ausbildung noch im Studium wurden wir darüber so richtig aufgeklärt – eher gar nicht.

Wurdest du wenigstens bestärkt in deinen Ansichten? Und hast du eine gute Betreuung in der Entwicklung von Lösungsansätzen bekommen?

Von Einzelpersonen auf jeden Fall. Es bleibt auch nicht viel Zeit, weil man sehr viel Wissen eingetrichtert bekommt in diesen beiden Ausbildungen. Aber es gab Einzelne. Zum Beispiel hat meine Werkstoffe-Lehrerin mit uns Bio-Baumwolle behandelt und auch da bereits gesagt, wo die Nachteile liegen. Aber es ist kein Unterrichtsthema. Vielleicht bei den Designern mittlerweile mehr, aber auch dort zu wenig. Da fehlt die Aufklärung.

Hättest du dir jemals träumen lassen, dass deine Abschlussarbeit tatsächlich Wirklichkeit wird?

Nein. Das alles nicht! Aber das ist auch ganz schwer zu fassen, ein ganz seltsames Gefühl. Es macht einen sehr stolz aber es ist auch sehr surreal!

Fotos: © Thekla Wilkening

Und demnächst: Teil 2 des Interviews mit Thekla über die Kleiderei!

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