FEMNET auf der Ethical Fashion Show Berlin – Ein Rückblick: Teil 2

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Die Ethical Fashion Show bietet nicht nur Mode³, sondern auch Information und Diskussion. Neben vielen Inputs zur ökologischen Nachhaltigkeit diesmal auch im Fokus das Thema „Sozialaudits“. Wieso wir das Instrument als Maßnahme zur Verbesserungen der Arbeitsbedingungen kritisch betrachten, erfahrt ihr im Beitrag.

Am zweiten Tag der Ethical Fashion Show Berlin fanden sich im Schaltraum des Kraftwerks stündlich viele interessierte Besucher_innen ein, um Vorträge über Nachhaltigkeitssiegel, Kreislaufsysteme in der Mode und über vegane Lederalternativen aus Pflanzen, Pilzen und Zellkulturen zu hören. Um auch dem leider deutlich unterrepräsentierten Thema der sozialen Nachhaltigkeit Raum zu bieten, gaben Dorothee Wirtz, Projektmanagerin bei Fairtrade Deutschland und Anne Neumann, Projektreferentin bei FEMNET dem voll besetzten Besuchersaal einen Einblick ins Thema Sozialaudits. Erfreulicherweise setzen sich – wie die Ethical Fashion Show gut zeigt – immer mehr Unternehmen für gute Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern ein. Doch wie kann man sichergehen, dass die Verhältnisse vor Ort tatsächlich besser sind als bei „konventionellen“ Marken?

Audit: Was ist das eigentlich?

Bei einem Sozialaudit besucht ein Prüfer zumeist nach vorheriger Ankündigung eine Fabrik und begutachtet dort die Arbeitsbedingungen auf der Basis vorgegebener Kriterien. Die Dauer eines Audits ist abhängig von der Unternehmensgröße und dem jeweiligen Kodex bzw. Standard. In der vorgegebenen Zeit müssen Besprechungen und Interviews mit dem Management, der Personalabteilung, der Buchhaltung und anderen Arbeitnehmern durchgeführt sowie die Verträge und Abrechnungsunterlagen der Beschäftigten gesichtet werden. Der Auditor muss prüfen, ob Arbeitsschutzmaßnahmen, Sicherheitsvorrichtungen und Notausgänge vorhanden und in ordnungsgemäßem Zustand sind. Darüber hinaus sollen Interviews mit Arbeiter_innen stattfinden. Bei diesem umfangreichen Paket bleibt für die einzelnen Punkte oft nur wenig Zeit.

Audits im neuen Textilstandard von Fairtrade

Wie werden Sozialaudits bei Fairtrade eingesetzt? Dorothee Wirtz berichtete, dass Fairtrade ausschließlich mit einem einzigen Kontrolleur und Zertifizierer zusammenarbeitet, dem Unternehmen FLOCERT. Das Unternehmen beschäftigt weltweit Auditoren und zertifiziert Hersteller in rund 115 Ländern nach den verschiedenen Fairtrade-Standards. Die von FLOCERT zertifizierten Produktionsstätten sind auf der Website einsehbar. Ganz neu hat Fairtrade einen Standard für Textilien eingeführt. Bei diesem Standard prüft FLOCERT in der gesamten textilen Kette, vor allem aber in den Konfektionsfabriken.

Wie läuft ein Audit bei FLOCERT ab?

Bei den Audits wird eine Momentaufnahme des produzierenden Betriebes, hinsichtlich der Vorgaben des Textilstandards gemacht. Anhand dieser Ergebnisse wird festgestellt, welche betrieblichen Aspekte verändert werden müssen, um den Standard zu erreichen. Um mögliche Mängel zu korrigieren, werden Schulungen durchgeführt und Korrekturmaßnahmen vorgenommen. Anschließend zeigt ein Re-Audit, ob die Mängel tatsächlich behoben wurden. Die Audits werden alle 3 Jahre wiederholt. Dorothee Wirtz erklärte, dass nur so nachhaltige Veränderung entstehen und der Textilstandard gesichert werden kann.

Aber, wie gut sind Sozialaudits wirklich?

FEMNET hinterfragt Sozialaudits generell kritisch. Denn Audit ist nicht gleich Audit.

Ein entscheidendes Kriterium bei Audits ist, ob nur die Fabrikunternehmen oder auch die Managementsysteme der einkaufenden Herstellerunternehmen überprüft werden. Meist liegt das Augenmerk lediglich auf der Fabrik und das Audit ist auf eine kurze Bestandsaufnahme beschränkt. Nachbereitungen fallen somit häufig unter den Tisch, so dass Mängel selten korrigiert werden. Auch die Ankündigung von Audits in den Fabriken ist kritisch zu betrachten. Auf der einen Seite wird zwar Vertrauen geschaffen. Auf der anderen Seite können sichtbare Mängel vor der Prüfung beseitigt werden und beispielsweise sonst zugestellte Fluchtwege freigeräumt werden.

Genauso ausschlaggebend ist der Auftrag- bzw. Geldgeber, dabei wäre eine Mischung aus Modeunternehmen, Fabrikbesitzern und unabhängigen Initiativen wichtig. Bislang haben Fabrikbesitzer die Möglichkeit, ihre Auditor_innen selbst zu bestimmen, deshalb sind Bestechungen keine Seltenheit.
Die Ergebnisse eines Audits sind oft nicht öffentlich einsehbar und damit intransparent. Statt die Resultate für Maßnahmen zur Verbesserung zu nutzen, werden die Zulieferer mit nicht ausreichend guten Ergebnissen oft einfach ausgetauscht.

Fazit?

Fazit? Einige Punkte, die FEMNET und die Kampagne für Saubere Kleidung am Auditbusiness ingesamt kritisieren, hat Fairtrade in seinem System ausgeräumt. Entscheidend bleibt jedoch, dass Arbeiter_innen sich organisieren und ihre Interessen selbst vertreten und hervorbringen können – die beste Kontrolle „von außen“ kann niemals so gut sein wie die stetige Kontrolle „von innen“ durch genau diejenigen, um deren Rechte es geht!

Mehr Infos…

Mehr zum Thema und den von uns formulierten Voraussetzungen, die Sozialaudits sinnvoll machen können findet ihr auf unserer Website www.fairschnitt.org in unseren Factsheets zu unseren Themenmodulen Fünf  und Sechs.

Informationen zum neuen Textilstandard von Fairtrade findet ihr online bei www.fairtrade-deutschland.de .

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