Thekla Wilkening hat Bekleidung, Technik & Management an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg studiert und vorher eine Ausbildung zur Bekleidungstechnischen Assistentin in Köln absolviert. Im ersten Teil unseres Interviews hat sie uns das Konzept für prepeek vorgestellt. Der zweite Teil dreht sich um die Kleiderei: Mit dem Konzept des kuratierten Leihens erfreut sie ihre Kundinnen monatlich mit vier neuen Kleidungsstücken. Ein Gespräch über Verantwortung im gemeinschaftlichen Konsum und die Angst vor roten Hosen mit Lea Wittich.
In der Kleiderei verleiht ihr Kleidung an eure Kundinnen, bei Prepeek an Blogger. Das Verleihen ist Euer Konzept und Markenzeichen. Wie waren die ersten Reaktionen auf dieses unkonventionelle „Konsum-Konzept“? Gab es Vorbehalte?
Ich kann mich noch daran erinnern, dass an meiner Hochschule (HAW Hamburg) der erste Zeitungsartikel über die Kleiderei direkt aufgehangen wurde. Das war eine ganz schlechte Kopie, die dann im Foyer hing. Zu sehen, dass meine Hochschule begeistert war, hat mich schon sehr schon stolz gemacht.
Vorbehalte gab es vor allem einen, der durchgängig erwähnt wurde. Was eigentlich total lustig war, weil die Kritik gar nichts mit dem Konzept, sondern mit der Moralvorstellung der Menschen von anderen Menschen zu tun hatte. Viele hatten nämlich die Befürchtung, dass die Leute die Sachen nicht wieder zurückbringen werden. Das haben wir immer wieder gehört! Ich finde es sehr interessant, dass sich anhand der Kritik zeigt, für wie egoistisch die Menschen einander halten.
Wieso sollten die Sachen nicht wieder zurückgegeben werden? Es ist ja nicht so, als würde man den Leuten etwas geben und irgendwann sagen ich möchte das jetzt wiederhaben. Und es ist auch nicht passiert!
Und dann gab es das typische Argument, dass Besitz Sicherheit bedeutet. Da ist es wie beim Auto: Die einen wollen es besitzen und die anderen halt nicht.
Eigentlich dachten wir, wir schmeißen das Konzept hinaus in die Welt und dann studieren wir in Ruhe weiter. Aber die Nachfrage war so groß, dass wir das alles gar nicht mehr auffangen konnten.
Was glaubst du, wieso die Idee so gut funktioniert?
Es gibt Menschen, die ihren eigenen festen Stil haben. Aber die Meisten wollen sich immer wieder neu erfinden und wollen, dass ihr Kleiderschrank mit ihnen wächst und sich entwickelt! Ich glaube, dass fast alle Frauen – wir können ja nur über Frauen sprechen, da wir nur Damenbekleidung anbieten – wissen, dass sie nicht alles was sie letztes Jahr hatten, dieses Jahr wiederkaufen würden. Und da setzt das Konzept sehr logisch an, weil man sich selbst den Aufwand erspart wieder zu verkaufen oder zu verschenken.
Auch unabhängig von Trends, denen wir in der Kleiderei bewusst nicht folgen – wir haben ja nicht nur die neusten Kollektionen – bemerkt man da immer Veränderungen. Ich habe zum Beispiel eine Zeit lang nur Kleider getragen. Und jetzt bin ich 30, wirke relativ jung, deshalb trage ich nur noch selten Kleider, weil es mich noch jünger macht. Aber es kommt wahrscheinlich auch irgendwann die Zeit, in der ich denke, ich will unbedingt jung wirken und dann trage ich wieder nur noch Kleider! Das ist vielleicht ein anschauliches Beispiel, wieso Veränderungen unabhängig von Trends sein können und viel mit dem persönlichen Ausdruck im Textil zu tun haben. Und ich glaube da gibt es mehr Frauen als man denkt, die sich immer wieder wandeln wollen.
Darüber hinaus verleiht ihr ja nicht nur die Sachen, die die Kund_innen aussuchen, sondern ihr stellt Pakete zusammen. Wie funktioniert das?
Wir haben unser Konzept im September 2016 radikal geändert, sodass man nicht mehr selbst aussuchen konnte. Die Möglichkeit auffüllen zu lassen gab es aber von Anfang an. Das heißt, man konnte beispielsweise ein Teil bestellen und drei Teile wurden von uns ergänzt. Das lag daran, dass wir zwei Jahre Ladenerfahrung hatten und festgestellt haben, dass die Leute einfach unglaublich gerne beraten werden. Vielen fehlt nicht der Modemut, sondern die Zeit und Kraft, sich etwas selbst zusammenzustellen.
Ich erinnere mich an eine Frau im Laden, die eine rote Hose anhatte. Die Hose hat ihr gut gefallen und sie fragte mich, was sie dazu denn anziehen könne. Ein wenig irritiert von der Frage und habe dann gesagt, im Grunde alles außer einer Farbe, die total beknackt aussieht, wenn man sie dazu legt. Ich wusste erst gar nicht, wie sie das meint!
Uns ist schnell aufgefallen, dass es ganz viele Menschen gibt, die gar kein eigenes Gespür dafür haben. Sie haben zwar Lust darauf, etwas Spezielles zu tragen, aber wissen nicht weiter, wenn sie das eine Teil in ihrer Hand halten. Und dann kaufen sie doch wieder nur blau, schwarz, weiß und grau, weil sie wissen was sie damit anfangen können. Diese Erfahrung haben wir im Laden gemacht. Da wurden wir sehr hellhörig, sodass wir das Auffüllen von vorn herein online angeboten haben.
Die meiste Kritik an der Kleidung kam über die Teile, die sich die Kundinnen selbst ausgesucht haben. Dann haben wir diese Option irgendwann komplett weggenommen. Seitdem wir die Beratung anbieten und den Kundinnen damit Arbeit abnehmen, funktioniert das Konzept viel besser. Und ich glaube, wenn man das modepsychologisch betrachtet, ist das gar nicht so abwegig. Deswegen gibt es bestimmte Labels, die Stammkunden haben. Weil man sich so auf jemanden verlassen kann. Man hat das Urteil von den Labels „Das ist gut so und das funktioniert“, also kann ich darin nicht total bescheuert aussehen. Das versuchen wir unseren Kunden auch zu geben. Damit geben wir ihnen Rückhalt.
Was macht ihr eigentlich, wenn mal was kaputt geht oder Flecken auf die Kleidung kommen? Schicken die Mitglieder die Sachen einfach wieder zurück oder versuchen manche zu reparieren?
Das gibt es alles! Es gibt Reparaturen, Anrufe und Mails, in denen schon vorher angekündigt wird, was vorgefallen ist. Es passiert allerdings sehr selten, dass wirklich etwas einer Person zuzuweisen ist. Deswegen regeln wir das meist gar nicht mit den Kundinnen. Wir klären das unter uns, reparieren etwas oder nehmen ein Teil raus. Wir versuchen da den Kundinnen die Komfortzone nicht kaputt zu machen.
Ich weiß nicht wie es wäre, wenn wir ein Großkonzern wären. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Leute mit den Sachen sehr vorsichtig umgehen. Und wenn wirklich etwas passiert, bieten wir es den Kundinnen zu einem günstigeren Preis an, dann können sie es kaufen oder wir sortieren aus, wenn etwas wirklich nicht mehr tragbar ist. Wir versuchen diese Dinge so zu klären, dass man den Kunden nicht das Gefühl gibt, Leihen sei anstrengend, weil sie sich ständig für etwas verantworten müssen. Aber das geht nur weil grundsätzlich sehr verantwortungsvoll mit den Sachen umgegangen wird.
Glaubst du die Tatsache, dass ein Kleidungsstück nicht nur einem selbst gehört, steigert das Verantwortungsbewusstsein?
In unserem Falle definitiv! Aber auch, weil unser Konzept sehr persönlich ist. Wir schicken handgeschriebene Karten mit raus. Es ist wirklich so als wäre deine Freundin zu dir gekommen, ihr habt noch ein Stück Kuchen gegessen und dann hat sie sich ein Kleid ausgeliehen. Auf so ein Teil würde sie dann wahrscheinlich auch besser aufpassen und denjenigen hysterisch anschreien, der ihr ein Weinglas darüber kippt! Bei ihrem eigenen Kleid hätte Sie sich vielleicht gedacht, das passiert halt manchmal.
Die Tatsache, dass die Kleiderei auf gemeinschaftlichem Konsum aufbaut, der nachhaltiger und persönlicher stattfindet, erhöht definitiv das Verantwortungsgefühl.
Wir haben im Laden gemerkt, dass es vor allem vor den teuren Kleidungsstücken sehr hohen Respekt gibt. Deswegen ist es für viele auch ok, dass wir nicht nur Designerkleidung anbieten, weil es sie entspannt, dass die Sachen erschwinglich sind.
Online-Shopping ist das neue Shoppen-Gehen. Allerdings ist es nicht besonders ökologisch ständig Pakete von A nach B zu schicken. 2016 habt ihr eine Kleiderei in Köln eröffnet, in der man sich seine Kleiderpakete selbst abholen kann. Plant ihr die Kleiderei vermehrt als lokales Konzept auszubreiten, um das viele Umhersenden zu umgehen?
Grundsätzlich würde ich es schon gern sehen, dass es in allen größeren Städten eine Kleiderei gibt. Aber ich finde, wenn man in einer Kleinstadt wohnt oder auf dem Land, ist es immer noch besser man kriegt Pakete von uns als von anderen. Ich sehe den Online-Versand als gegeben an und dann ist das Päckchen das kleinere Übel, als mit dem Auto in die Stadt zu fahren, um da zu shoppen. Oder sogar bei Fast Fashion Ketten einzukaufen, weil sie vor Ort vertreten sind.
Die Läden haben viele Vorteile, aber es ist schwierig Leute zu finden, die das wirklich umsetzten wollen. Wir kriegen oft Anfragen von Interessierten, aber es braucht eine Menge Mut einen eigenen Laden zu eröffnen. Wir freuen uns sehr, wenn jemand eine Kleiderei in einer Stadt aufmachen möchte, aber wir können kein Franchise-Filial-System daraus machen. Lena, die die Kleiderei in Köln führt, ist selbst auf uns zugekommen und ich kenne sie auch schon lange. Diese Motivation muss da sein. Ich kann nicht sagen, ich mache jetzt eine Kleiderei in Dortmund auf und stelle da jemanden ein. Da braucht es die eigene Überzeugung.
Ihr arbeitet in der Kleiderei auch mit Kleidung aus Fast Fashion Produktion, da ihr sie als Second-Hand-Produkte bezieht. Aber ihr bekommt auch direkt Teile von fair produzierenden Labels. Wonach wählt ihr aus, was ins Sortiment darf?
Was die Kunden uns spenden und sehr gut erhalten ist, darf immer mit ins Sortiment, auch wenn es von Fast Fashion Ketten ist. Denn ich finde gerade so etwas sollte nicht weggeschmissen werden. Ich kenne die Situation auf Grillpartys, dass Leute billiges Fleisch kaufen, um es im Notfall wegzuwerfen, falls es nicht gegessen wird. Das ist das Schlimmste! Bei Textilien sehe ich das ähnlich. Wenn die Ausbeutung schon stattgefunden hat, dann sollten die Produkte erst recht verliehen werden.
Bei den Label-Kooperationen versuchen wir sehr offen zu sein. Mir ist als aller erstes wichtig, dass sie wirklich wissen, wie sie produzieren und von Zeit zu Zeit in den Betrieben vor Ort sind. Wenn beispielsweise in Portugal produziert wird, sollten die Verantwortlichen auch alle ein bis zwei Jahre dort hinfahren, um zu sehen, dass alles fair abläuft. Es ist natürlich toll, wenn sie es schaffen nur Bio und Organic zu sourcen. Aber das ist das, wo wir eher ein Auge zudrücken, weil ich weiß wie schwer das ist. Uns ist aber wichtig, dass Teile der Produktion so beschafft wurden; dass es Bio-Baumwolle gibt oder Recycling-Polyester, oder ähnliches. Aber wir stellen nicht den Anspruch, dass die ganze Kollektion sofort GOTS zertifiziert werden kann. So ist die Chance noch geringer, dass junge Labels jemals in die Masse kommen. Das schaffen die Wenigsten.
Man kann neuerdings ausgewählte Teile bei euch kaufen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Das liegt daran, dass wir Onlineprodukte nur bis zu einem gewissen Grad verleihen können. Im Laden gilt „what you see is what you get”. Die Sachen sehen nicht mehr aus wie neu, aber die Kunden können immer noch selbst entscheiden, was sie anziehen und was nicht. Deshalb versuchen wir ab diesem Punkt die Sachen lokal zu verkaufen. Da gibt es dann auch das Anprobier-Problem nicht. Aber es ist auch für die Labels schön, wenn man Teile direkt über uns beziehen kann.
Insgesamt ist das eher für den Abverkauf von Teilen gedacht, bei denen es uns wirklich leidtut. Man weiß, dass die Sachen nicht noch drei Mal rausgeschickt werden können, sondern vielleicht nur noch ein bis zweimal. Es ist schade den Punkt zu erreichen, an dem man etwas gar nicht mehr rausschicken kann, deswegen verkaufen wir es lieber vorher.
Wie stellst Du dir die Kleiderei in der Zukunft vor? Entwickelt sie sich in eine bestimmte Richtung?
Wir haben herausgefunden, dass das Konzept funktioniert, die Stilberatung wird gut angenommen, der Preis stimmt. Jetzt müssen wir wachsen!
Vielen Dank für das spannende Interview Thekla!