Studierende in die Gestaltung des Lehrangebotes einbeziehen

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Interview Studienprojekt

Im Dezember haben wir einen Teilnehmer der Konferenz FAIR FASHION works? gefragt, wie die Themen Menschenrechte und Unternehmensverantwortung Einzug in die Lehrpläne modebezogener Studiengänge finden können. Auf der Konferenz haben sich allerdings auch schon Studierende vorgestellt, die in ihrer Arbeit Wert auf Fairness und Nachhaltigkeit legen. In den kommenden Wochen stellen wir einige Projekte vor. Teil I: Interview mit Nadja Kulikowa und Johanna Kruse, Bekleidungstechnik/Konfektion an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

Bitte skizziert kurz eure Abschlussarbeit.
Nadja + Johanna: Wir beide haben an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Bekleidungstechnik/ Konfektion unseren Master – und zuvor auch den Bachelor – absolviert. In unserer Masterarbeit haben wir ein Werkzeug entwickelt, mit dem man das Vorhandensein bestimmter Studieninhalte in Studiengängen messen kann. Wir haben uns dabei vor allem auf das Bildungsangebot zu Ressourcenschonung und Ressourceneffizienz konzentriert. Darüberhinaus kann man damit herausfinden, zu welchen Studieninhalten eine ganz spezifische Nachfrage besteht, z. B. ein großes Interesse seitens der Studierenden und der Lehrenden, welche Inhalte noch zu kurz kommen und welche möglicherweise noch gar nicht berücksichtigt sind. Dazu haben wir quantitative Erhebungen und Studiengangsbefragungen durchgeführt und danach auf Basis der Ergebnisse Handlungsempfehlungen für unseren Studiengang in Form von unterschiedlichen Implementierungsszenarien entwickelt.

Wie seid ihr auf das Thema gekommen und warum habt ihr das zusammen machen wollen?
Nadja + Johanna: Die nötige Inspiration dazu bot der Besuch eines Symposiums zur Europäischen Woche der Abfallvermeidung, auf der viele Projekte hochengagierter Menschen präsentiert wurden. In diesem Zusammenhang war in erster Linie die Reflexion unserer eigenen Kompetenzen ausschlaggebend, inwiefern wir einen professionellen Beitrag für eine nachhaltige und umweltbewusste Bekleidungsbranche leisten können. Wir haben uns einfach am Ende unseres Studiums gefragt, ob wir fähig sind, perspektivischen Marktanforderungen aufgrund von Sozial- und Umweltveränderungen mit guten Lösungen zu begegnen… Daher unser Entschluss zu einer eher ungewöhnlichen Abschlussarbeit in unserem Studiengang, da dies ein Thema aus der Sozialempirik ist, das sich intensiv mit den Inhalten unseres Studiengangs beschäftigt und hinterfragt, ob sie den zukünftigen Herausforderungen im Bereich Ressourcenverknappung und Umweltproblematiken standhalten und ob es eventuell noch Verbesserungsbedarf gibt.

Wir haben das zu zweit durchgezogen, weil erstens der Arbeitsaufwand für die Masterarbeit enorm zu werden schien und zweitens, weil wir uns schlicht auf einander verlassen können – eine Erkenntnis aus vielen gemeinsamen Projektarbeiten während des Studiums. Also, Teamwork können wir ;-)! Ganz besonderen Dank schulden wir dazu unseren beiden großartigen Betreuerinnen, Frau Prof. Fuchs und Dr. Bianca Schemel, die uns vor allem mit ihrer eigenen Begeisterung zum Thema und mit großem Vertrauen in unsere Fähigkeiten unterstützt haben.

Haben euch die Ergebnisse überrascht oder wurden eure Erwartungen bestätigt?
Nadja + Johanna: Die Ergebnisse waren überraschend aus zweierlei Gründen: Wir konnten nachweisen, dass in unserem Studiengang deutschlandweit ein weit gefächertes Lehrangebot zu den von uns untersuchten Schwerpunkten in den Modulhandbüchern integriert ist. Nicht in jedem Studiengang gleich und in manchen auch gar nicht. Im Studiengang an unserer Hochschule gibt es laut Umfrageergebnissen ein großes Lehrangebot zur Thematik Ressourcenschonung und -effizienz, aber auch wahnsinnig viele zusätzliche Verbesserungsvorschläge von Lehrenden und ganz besonders von den Studierenden. Letztere haben ausserordentlich gute, praktikable Ideen geäußert, die es sich umzusetzen lohnt, und die für unseren Studiengang einen Zugewinn an Lehrqualität bedeuten würden. Das bestätigt unsere Grundhaltung, dass Studierende mehr in die Gestaltung der Lehrangebots integriert werden müssten.

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Nadja (rechts im Bild) und Johanna stellen ihre Arbeit vor. Quelle: Kruse/Kulikowa

Wie ist das Thema umweltschonende Produktion in eurem Studium integriert?
Nadja + Johanna: Unserer persönlichen Meinung nach, vorwiegend auf grundlagenbildender, sensibilisierender Ebene, weniger in der konkreten Anwendung. Letzteres eher in Masterprojekten einzelner engagierter Dozent_innen mit begrenzter Teilnehmerzahl, wie z.B. das Projekt zur Entwicklung einer Detoxguideline für Bekleidungsunternehmen oder ein Upcycling-Projekt. Im Grundstudium haben wir viel über CSR, Ecolabelling und Qualitätsmanagement gehört. Wirklich prägend war der Vortrag eines unabhängigen Auditors, der uns mit der Dokumentation realer Zustände ordentlich Brancheneinsicht vermittelt hat. Aber auch der Gastvortrag von FEMNET mit anschließender Diskussion über Sumangali war spannend. Wir konnten den Unterschied zu Vorlesungen sehen, die Thematik der unsozialen Arbeitsbedingungen und moderner Sklaverei wurde emotional erfasst und regte zum Nachdenken an.

Wie stellt ihr euch eure berufliche Zukunft vor? Sollen die Themen faire/umweltschonende Modeproduktion weiterhin eine Rolle spielen?
Nadja: Logo, nach unserem Studium geht es weiter. Wir haben uns aus einer bestimmten Überzeugung heraus mit der Transformation der Bekleidungsbranche beschäftigt, das endet jetzt nicht einfach. Ich möchte einerseits gern auf der Bildungsebene daran weiterarbeiten und mich andererseits im Bereich Sustainable Product Development oder Quality Management weiter professionalisieren – entweder in der Bekleidungsbranche oder möglich auch in der Zukunftsforschung oder in der Wirtschaft.

Johanna: Mir ist es ebenso wichtig, in meinem zukünftigen Job in der Bekleidungswirtschaft die Nachhaltigkeitsstrategie mit zu transformieren und auch aktiv voranzutreiben. Die Bekleidungsbranche steht vor einer großen Herausforderung was Nachhaltigkeit betrifft. Für mich spannend ist vor allem die Thematik Corporate Social Responsibility, im weiteren Sinne die nachhaltige Unternehmensführung im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Verantwortung. Dazu könnte ich mir sowohl ein berufsbegleitendes Fernstudium der Wirtschaftsethik vorstellen, als auch zur Thematik „Transparenz in der textilen Lieferkette“ zu promovieren. Aber auch eine Tätigkeit in einer NGO oder in einem Unternehmen, die Zertifizierungen und Akkreditierungen von Bekleidungsunternehmen durchführen, die starke Bezüge zur Nachhaltigkeit haben, sind für mich interessant.

Hat „Faire Kleidung“ Marktchancen?
Nadja: Faire Kleidung hat eine Chance, wenn die Menschen, die Kleidung kaufen, dies als echten Mehrwert begreifen, also entsprechend sensibilisiert sind, beispielsweise durch Bildung und, klar, durch entsprechendes Marketing. Dazu sind aber auch gut ausgebildete (Branchen-)Fachkräfte notwendig, die sich u. a. auf Rechtsebene gut auskennen und Geduld wie Hartnäckigkeit mitbringen, dies in die Unternehmenskultur als selbstverständlich einbauen zu wollen. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang eine gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen, aber dafür braucht man einen langen Atem – wie man z. B. an den Schwierigkeiten des Textilbündnisses der Bundesregierung sieht.

Johanna: Wie aktuelle Studien belegen, nimmt glücklicherweise der Kauf an nachhaltigen Textilien zu. Das kann darin begründet sein, dass das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln zugenommen hat. Für die Zukunft wünsche ich mir aber mehr Selbstverständnis beim Kauf nachhaltiger Produkte und nicht nur einen Trend, der wieder abflacht. Schön wäre, wenn Unternehmen und Konsumenten erkennen würden, dass zwar das nachhaltig produzierte Kleidungsstück auf den ersten Blick etwas teurer erscheint, auf lange Sicht aber günstiger. Denn die ökologischen und sozialen Schäden sind zum Teil nur schwer wieder gut zu machen, wenn nicht gänzlich irreparabel. Ich stelle mir manchmal vor, was ich meinem Kind erzählen würde, wenn es mich fragt. “Wie konntet ihr damals zuschauen, unter welche Bedingungen Kleidung produziert wird? Warum haben alle weggesehen, obwohl es doch bekannt war, dass Kinderhände nähen oder in Säurebecken ohne Schutzbekleidung zwangsarbeiten müssen?” Diese Frage sollten sich nicht nur Branchenkräfte, sondern alle Konsument_innen stellen.

Vielen Dank für das Interview!

Foto oben © Barbara Palusinska

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