Smarte Ideen: Design mit Konzept und Persönlichkeit

Ein Interview mit Eugenie Schmidt von SCHMIDTTAKAHASHI
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Interview Startup Upcycling
Foto © von Dimitri Kireev

Foto © Dimitri Kireev

Studierende oder Startups können viel vom Berliner Designerduo Eugenie Schmidt und Mariko Takahashi darüber lernen, wie man mit einem nachhaltigen Modekonzept erfolgreich wird. SCHMIDTTAKAHASHI zählt heute zu den bekanntesten deutschen Upcycling1-Labels. Eugenie Schmidt erzählte uns, wie das Label entstand, wie sie anfängliche Schwierigkeiten bewältigten und welche Tipps sie Studierenden für eine erfolgreiche Karriere mit nachhaltiger Mode geben kann. Im Kern geht es um intelligente Ideen und gutes Design. Ihr Upcycling-Konzept entstand aus einer Haltung heraus, die flüchtigem Modekonsum die Wertigkeit und Individualität von Kleidung entgegen hält. Sie inszenieren diesen Wert mit anspruchsvollem Design und einer cleveren Codierung inklusive Spaßfaktor. Dabei wird die Herkunft des Materials, seine Geschichte zum Bestandteil eines klugen Gedankens, der in außergewöhnliche Kollektionen mündet. Geradezu fürsorglich wählen die Designerinnen die Grundmaterialien aus, die sie über eigene Sammelstellen in Containern als Kleiderspenden erhalten und archivieren. So bleibt die Kleiderspende für ihre ersten Besitzer identifizierbar. Auf der Website des Labels können sie via QR-Code nachsehen, was aus der alten Jeans, dem Innenfutter des Lieblingsmantels oder dem zu kleinen T-Shirt geworden ist. Und so erfahren auch die neuen Besitzer, wie ihr Kleidungsstück zusammengesetzt wurde. Das macht es zum Unikat mit besonderer Geschichte, die Menschen verbindet. Eine Idee, die als Studienprojekt begann, wurde zu einem international gefragten Modelabel, das längst seinen Weg bis zur Fashion Week in Paris gemacht hat.

Beide Designerinnen haben an der Berliner Kunsthochschule Weißensee ihr Diplom gemacht und erlebt, wie das Thema Nachhaltigkeit Einzug in den Studiengang hielt. Mit ihrem Konzept zählten sie damals noch zu Vorreitern für faire Mode, die an Unis oder auf dem Modemarkt kaum eine Rolle spielte. Ob sie als Label durchgängig und vorbehaltlos als „nachhaltig“ gelten können, vermögen die Designerinnen nicht abschließend zu beantworten. Für Eugenie Schmidt und Mariko Takahashi geht es um gutes Design und den Ausdruck einer Lebensweise, die ohnehin selbstverständlich sein sollte. Es geht ums Prinzip. Lehrreich ist das Erfolgsbeispiel vor allem, weil es zeigt, wie wichtig es ist, die eigenen Ideen zu hinterfragen – auf ihre Originalität, ihre Marktfähigkeit und ihre Machbarkeit hin. Kommen Instinkt für Design, Glaube an sich selbst und Ausdauer hinzu, ist der Erfolg durchaus wahrscheinlich.

Das Interview führte Linda Oetjen mit Eugenie Schmidt

LO: Frau Schmidt, wie wurden Sie für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert, vor allem während des Studiums?

ES: Eigentlich war das nicht die Zeit, in der man über Nachhaltigkeit gesprochen hat. Es fing langsam an und wurde zum Zeitgeist. Es gab verschiedene kleinere Projekte, z.B. Cradle to Cradle2. Als wir damals recherchiert haben, gab es nur wenige Bücher zum Thema. Wir haben an der Kunsthochschule studiert und es gab ein Seminar über Landschaftsmalerei. Es war interessant zu erfahren, wie Künstler Natur im Laufe der Kunstgeschichte bis heute betrachteten. Dabei ging es auch darum: Was ist Natur heute, wie sehen wir Natur heute? So wurde ein ganz anderer Kontext behandelt. Letztendlich haben wir das nicht auf Mode bezogen, aber ich glaube unterbewusst ging das ein bisschen weiter. Dann haben Mariko und ich einige Projekte zusammen gemacht – eigentlich aus einem Problem heraus: dem Problem der überfüllten Kleiderschränke und all der schönen Dinge, die einfach zu wertvoll sind, um sie einfach in die Tonne zu werfen. Wir wollten sie immer aufheben und vielleicht noch etwas daran ändern. Dann haben wir das Konzept entwickelt, aus dem SchmidtTakahashi wurde. Wir haben es damals Reanimation genannt – Wiederbelebungsmaßnahmen – und es funktioniert heute noch nach dem Kreislaufprinzip wie wir es uns damals gedacht haben.

LO: Zu der Zeit wurde Nachhaltigkeit im Studium noch gar nicht so thematisiert, das kam erst langsam auf?

ES: Ja genau. Danach gab es das, was auch wir schon gemacht hatten: zum Beispiel ein GreenLab. Plötzlich gab es Bücher, Charity und so weiter, alles – von Getränken und Mode bis zu Ökoreisen und Biohotels. Und ich denke, die Zeit ist reif dafür, weil einfach viel konsumiert wird und es immer eine Gegenbewegung gibt, die überlegt: Was machen wir und warum lautet das Muster „Verschwenden“?

LO: Denken Sie, dass das Thema Nachhaltigkeit und Konsum im Studium noch viel mehr thematisiert werden müsste? Oder wäre das nicht so wichtig?

ES: Für uns war das keine Voraussetzung. Es gibt heute so viele Designer, die sich damit beschäftigen, dass es gut ist, zu recherchieren was es schon gibt und davon zu lernen, um weitere Ideen zu entwickeln. Man sollte Recherche betreiben, damit man nicht die gleichen Ideen verfolgt, wie andere schon längst. Das wäre nicht sinnvoll.

LO: Und die Umsetzung des Projektes, das war dann Ihre Diplomarbeit?

ES: Ja genau.

Copyright: SCHMIDTTAKAHASHI, Fotografin: Mary Scherpe
Copyright: SCHMIDTTAKAHASHI, Fotografin: Mary Scherpe
Copyright: SCHMIDTTAKAHASHI, Fotografin: Mary Scherpe

LO: Der Ansatz Upcycling entstand also eher aus einem praktischen Problem, das Sie selbst betraf. Dachten Sie, dass es so einschlägt und erfolgreich wird?

ES: Am Anfang war alles fiktiv, wie andere Studienprojekte, die nur als Projekt gemacht werden und auf der Kleiderstange im Archiv zurück bleiben. Aber unser Ergebnis war gut. Wir erhielten sehr gute Kritiken und Resonanz von der Presse, außerdem einen Preis von der Uni und vom Senat. Das hat uns motiviert weiter zu machen und das Label zu gründen.

LO: Sie haben das Prinzip mit den Nummern eingeführt, durch die man etwas über die Herkunft des Ausgangsmaterials erfährt. Ist das etwas, das sie beobachten: Entsteht die Wertigkeit eines Kleidungsstückes dadurch, dass ich weiß woher es kommt?

ES: Ja. Das wird sehr positiv bewertet. Es macht einfach Spaß. Ein gewisser Spaßfaktor ist vor allem dabei. Man kann den QR Code scannen und sieht, was es vorher war. Es macht den Spendern Spaß, etwas zu geben, wenn sie sehen, dass aus ihrer alten Jeans eine Laptoptasche wurde. Auch der Käufer kann es sehen und sagt: Wie cool, das war mal eine alte Jeans von Anne-Sofie B.
Aber ich glaube, dass das in der Bekleidungsindustrie auch wichtig ist nach all diesen Katastrophen „Made in Bangladesch.“ Das macht Sinn.

LO: Es macht Sinn, dass man ungefähr weiß, woher das, was man trägt, kommt?

ES: Ich denke, dass man bei kleinen Labels eher den persönlichen Kontakt und mehr Vertrauen hat. Man kann sich über die Homepage informieren und traut diesem Label mehr als großen Konzernen. Das ist zwiespältig. Denn man kann damit spielen und leider kann man das, denke ich, auch missbrauchen.

LO: Sie meinten, dass die Konsumenten in Deutschland schon sensibilisiert sind und nachfragen. Wie ist das bei Designern? Kommen sie oft aus Deutschland oder eher aus anderen Ländern wie z.B. England?

ES: Ich glaube, inzwischen gibt es in allen europäischen Ländern Öko-Mode. Wir haben jetzt in Berlin ausgestellt und da gab es natürlich deutsche Designer. Aber es kommt überall zu ähnlichen Projekten. Auch die Shops, die wir akquirieren, zeigen immer mehr Interesse an diesen Labels. Es gibt schon Unterwäschemarken und nicht mehr nur Jeans und T-Shirts. Es gibt viel mehr Variation, auch Haute Couture und Schuhe. Es spezialisiert sich alles und wird erweitert. Es gibt ein breites Interesse. Wir haben einen Kunden, einen großen Laden, der nicht grundsätzlich ökologisch einkauft. Die haben eine Unterlinie, bei der es darum geht, dass man in diesem Zusammenhang besondere Ideen präsentiert. Dazu haben wir mit den Designern zusammengearbeitet. Man weiß aber immer nicht: Machen die den Trend einfach mit oder sind sie wirklich überzeugt davon?

LO: Wenn es um das Thema faire Mode und Upcycling geht, wird das häufig in die Öko-Nische gedrängt. Das ist bei SchmidtTakahashi nicht so….

ES: Da wollten wir auch nie hin, in diese Nische. Aber gerade für die Presse versucht man einen Überbegriff zu finden. Das wird dann häufig als Upcycling bezeichnet oder mit dem Wort Nachhaltigkeit verbunden, das ein Modewort geworden ist. Aber ich denke, es kann eine Erleichterung sein, wenn man ganz konzentriert mit ökologischen Stoffen arbeitet und schöne Designs macht. Dann steht dem nichts entgegen. Bei uns steht das Design an erster Stelle – sozusagen eine smarte Idee hinter schöner Kleidung. Und diese Idee soll Leute anregen, darüber nachzudenken, dass wir heute so viel haben und so viel sowieso schon im Kleiderschrank hängt, dass man sich überlegt, was man daraus macht und nicht so leichtsinnig damit umgeht. Wir wollen keine Moralapostel sein und mit dem Zeigefinger sagen: Recycelt alles zu 100 Prozent! Es geht uns ums Prinzip. Aber das Design steht an erster Stelle.

LO: Ist der Bereich öko-faire Mode ziemlich groß oder immer noch eine kleine Sparte?

ES: Das ist noch ein Subbereich, ein sehr kleiner Bereich. Wir waren auf dem Greenshowroom, einer grünen Messe während der Berlin Fashion Week. Die Sachen waren sehr schön präsentiert, aber es gab wenig Kundschaft. Vielleicht ist der deutsche Markt noch nicht so weit. Viele Kunden haben uns gefragt, ob das auch hundertprozentig nachhaltig ist. Das war manchmal schwierig für uns zu beantworten, weil wir in unserer zweiten Linie neue Stoffe dazu mischen. Die Einkäufer wollen eine Garantie für ihre Kunden und hundertprozentig Bio-Baumwolle mit allen Zertifikaten. Wir haben keine Zertifikate, denn bei uns geht es um die Idee, um Design und die Idee. Wir wollen nicht für 100% oder 90% oder so stehen. Aber vielleicht wächst das irgendwann so, dass man gar nicht mehr darüber sprechen muss. Das ist ein Traum, dass man nicht mehr nachweisen muss, dass dieses Kleidungsstück nicht mit Kinderhänden gemacht wurde und kein Arbeiter in der Türkei vom Sandbleeching3 gestorben ist. Das wäre ein Ziel. Wie man in der Lebensmittelindustrie auch denkt: Warum gibt es Bio und nicht Bio? Es sollte alles gut sein, schmecken und eine gute Herkunft haben. Aber da ist die Welt noch gespalten.

LO: Wer kauft vor allem bei Ihnen ein?

ES: Wir haben keinen Laden, sondern gehen auf Messen. Letztes Jahr waren wir in Paris. Wir verkaufen an Einkäufer – meistens Japaner, fast ausschließlich an Japaner, einen Laden in Deutschland und in England, London, und an zwei Onlineshops.

LO: Und konnten sie erfahren, wer die Kleidung dann trägt?

ES: Junge Leute sind interessiert, haben aber vielleicht nicht so viel Geld, da unsere Kleidungsstücke relativ aufwendig sind und mehr kosten. Es ist eher eine mittlere Altersgruppe von 30 bis 60. Es gibt auch viele Ältere, die unsere Kleidung tragen, weil wir nicht so figurbetonte Sachen machen, sondern leger elegante.

LO: Als Sie mit der Gründung des Labels begannen– gab es Unterstützung durch die Uni oder andere Institutionen?

ES: Nicht wirklich. Was uns weitergeholfen hat war der Senatspreis, denn der beinhaltete, dass man eine Unternehmensberatung bekam. Das war sehr gut, weil wir uns nicht mit Unternehmensführung auskannten, sondern einfach nur Kleider gemacht haben. Außerdem hatten wir Glück mit der Presse, da die Idee sehr zeitgemäß war. Aber all die Presse bringt dir trotzdem nicht unbedingt Einkäufer. Mit der Unternehmensberaterin haben wir eineinhalb Jahre gearbeitet und eine zweite, etwas kommerziellere Linie herausgebracht und die erste ein bisschen punktiert. Auch heute schrauben wir noch nach Möglichkeiten. Das ist nicht so leicht, aber es entwickelt sich langsam sehr, sehr gut. Wir haben also keine BWL-Kurse absolviert, sondern Do-It -Yourself vor uns hingearbeitet, aus dem Alltag heraus und aus eigenen Fehlern gelernt.

LO: Also haben Sie aber von der Hochschule keine direkte Unterstützung bekommen?

ES: Wir hatten immer wieder Besuch von unserer Meisterprofessorin. Aber es gab keine Kurse oder regelmäßige Betreuung. Man konnte sich hier und da einen Tipp holen oder Kontakte. Aber vieles hat sich einfach so ergeben und man lernt aus der Situation heraus.

LO: Gibt es etwas, was sie Studierenden modebezogener Studiengänge, die in dem Bereich arbeiten wollen, mitgeben wollen? Ein paar Tipps?

ES: Viele sagen uns, dass es toll ist, wenn man zu zweit arbeitet, weil das gegenseitige Motivation ist. Aber das ist kein Rezept für den Erfolg. Man kann auch alleine etwas auf die Beine stellen. Ganz viel Geduld, extrem langer Atem und finanzielle Absicherung erleichtern das Ganze natürlich. Weil es nämlich sehr, sehr lange dauert, bis man etwas auf die Beine gestellt hat und bis man tatsächlich verkauft. Man macht Kollektionen und kontaktiert die Presse. Man geht auf die Messe – die erste, die zweite, die dritte. Und dann fangen die Kunden erst an zu bestellen, weil sie einen dann ernst nehmen. Bis dahin sind schon zwei Jahre einfach so vergangen. In den zwei Jahren macht man Kollektionen, Fotos und Kataloge. Aber vor allem sollte man an sich glauben, Selbstvertrauen ist sehr wichtig.

Drei Business Tipps von SchmidtTakahashi

  1. Arbeite, wenn möglich im Team.
  2. Hab einen langen Atem!
  3. Vertraue dir selbst und deiner Idee!
  1. Wiederverwertung eines Materials mithilfe von Aufwertung
  2. Deutsch: „Von der Wiege zur Wiege“, Konzept Rohstoffe aus der Natur zu verwenden und sie dann vollständig der Natur wieder zuführen zu können
  3. Methode, um Jeans zu bleichen. Verfahren funktioniert mit Sandstrahlen, häufig entsteht dabei Feinststaub, der Lungenschäden hervorrufen kann.

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