Made in Kenia für die ganze Welt – eine faire Firma aus Nairobi stellt sich vor: Teil 1

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Kathrin Glosemeyer arbeitete Anfang 2017 für zwei Monate als Designpraktikantin in dem von der World Fair Trade Organisation (WFTO) zertifizierten Betrieb Kiboko Leisure Wear Ltd. in Nairobi. Kiboko beschäftigt derzeit mehr als 70 Angestellte und zählt zu einem der wenigen Betriebe in Kenia, die sich für faire Arbeitsbedingungen mit geregelten Arbeitszeiten und einem festen Gehalt entschieden haben. Aber was sind eigentlich die Vor- und Nachteile einer WFTO-Mitgliedschaft für eine_n Näher_in oder für das Unternehmen insgesamt? Kathrin Glosemeyer machte sich vor Ort ein Bild und führte ein Interview mit der Näherin Jeanette (ein Interview mit der Marketingleiterin Sabine Hüster von Kiboko folgt).

Woher kommst du genau?

Jeanette: Ich komme ursprünglich aus Kitui County. Das liegt drei bis vier Stunden östlich von Nairobi. Ich wohne aber seit Längerem in einem Vorort von Nairobi. Ich habe das Glück gemeinsam mit meinen drei Kindern und meinem Mann zu leben. Einige meiner Kolleginnen sehen ihre Kinder nur alle zwei Wochen, weil sie nicht mit ihnen in Nairobi wohnen können, da die Mieten so hoch sind und sich niemand um die Kinder kümmern könnte, wenn sie auf der Arbeit sind. Ich bekomme zwar ein höheres Gehalt als andere Näherinnen in der Umgebung, aber dennoch nicht genug, um meine Familie davon ernähren zu können. Ohne das Gehalt meines Mannes wäre es nicht möglich.

Was ist deine Aufgabe in der Produktion?

Ich bin „Machine Operator“, also Näherin, die an verschiedenen Maschinen eingesetzt werden kann wie der einfachen Industriemaschine oder der Overlockmaschine. Außerdem mache ich häufig die Säume für Jerseyfabrikate.

Wie lange arbeitest du schon bei Kiboko?

Ich arbeite nun seit sechs Jahren für Kiboko. Ich war vorher auch schon als Näherin für eine andere Firma tätig. Ursprünglich war ich Friseurin. Ich mache auch heute noch zweitweise die Haare für Freunde und Verwandte. Es macht mir Spaß und ich bekomme noch zusätzlich etwas Geld, das ich in die Ausbildung meiner Kinder investieren kann. Im Jahr zahlen wir für die Kinder umgerechnet mehr als 550 Euro für die öffentliche Schule in Nairobi.

Welche Vorteile siehst du in der Arbeit bei Kiboko?

Es ist schon von Vorteil bei Kiboko zu arbeiten: Ich habe eine feste Arbeitsstelle und ein festes Gehalt, das über dem Mindestlohn liegt und pünktlich zum Monatsende entweder auf mpesa überwiesen oder bar ausgezahlt wird. Mpesa ist unser Geldtransfersystem, das mithilfe von Handy-Simkarten überwiesen werden kann. So sparen wir die hohen Bankkontoführungsgebühren und müssen nie Bargeld mit uns führen, damit verhindern wir, dass wir ausgeraubt werden. Ich arbeite gerne bei Kiboko, weil es abwechslungsreich ist und die Supervisor nett zu uns sind. Außerdem habe ich selten Überstunden zu leisten und nie Wochenendarbeit. Durch die geregelten neuneinhalb Stunden Arbeit am Tag habe ich abends noch Zeit, um für meine Familie das Essen für den nächsten Tag vorzubereiten.

Und wie sieht dein Arbeitstag genau aus?

Ich stehe wie die meisten gegen 5.30 Uhr in der Früh auf und nehme um 6 Uhr den Bus, um zeitig gegen 7 Uhr vor der Näherei zu sein. Wir beginnen alle pünktlich um 7.15 Uhr. In der ersten Pause um 10.30 Uhr können wir alle draußen in der Sonne frühstücken. Von 10.45 Uhr geht es weiter bis mittags. Genau um 13 Uhr klingelt es zur Mittagspause und der Strom für alle Maschinen und das Licht wird abgeschaltet. Wir gehen nach draußen in den Hof, wo wir Stühle und Bänke haben und unser mitgebrachtes Essen zu uns nehmen können. Wenn du nichts zu essen mitgebracht hast, gibt es manchmal „Mandazis“ mit Milch vom Betrieb – das sind in Fett gebackene Teigtaschen. Nach 30 Minuten Pause geht es dann zurück an die Arbeit, wo wir bis 16.45 Uhr nähen. Wenn ich zwischendurch zur Toilette muss, ist das kein Problem. Wir arbeiten nicht im Akkord, sondern nach Auftragslage – mal langsamer, mal schneller. Aber immer nach einem geregelten Tagesablauf. Vor jedem Style kommen wir zusammen, um mögliche Schwierigkeiten anzusprechen und zu vermeiden.

Was würdest du gerne verbessert sehen im Betrieb?

Derzeit haben wir leider nicht genug Aufträge, sodass wir keine Gehaltserhöhung bekommen wie in den vergangenen Jahren. Deshalb hoffe ich sehr, dass wir für dieses und die Folgejahre mehr Arbeit haben und die Kunden zufrieden sind.

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch.

In der kommenden Woche folgt das Interview mit der Marketingleiterin Sabine Hüster von Kiboko, die vor 20 Jahren nach Kenia ausgewandert ist.

Die Näherin Jeanette wollte Ihren Nachnamen nicht nennen.

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