Wenn du neue Klamotten haben willst, musst du sie kaufen?! Das muss nicht sein. Es geht auch anders: Carolin Becker-Leifhold promoviert derzeit an der Universität Ulm zum Thema kollaborative Arten des Modekonsums. Dabei steht nicht mehr unbedingt der persönliche Besitz, sondern die Nutzung eines Kleidungsstücks im Vordergrund. Das Sparen von Ressourcen und der verlängerte Lebenszyklus eines Kleidungsstücks sind da nur zwei Vorteile. In Teil 1 des Interviews von Jana Böker gibt Carolin Einblicke, wieso Näh- und Repaircafés sich neuerdings einer immer wachsenden Beliebtheit erfreuen. Teil 2 beantwortet unter anderem die Frage: Was sind eigentlich Fashion Libraries?
Momentan schreibst du ja an deiner Doktorarbeit. Wie lautet denn das genaue Thema?
Carolin Becker-Leifhold: Der vorläufige Titel lautet „Drivers and barriers for collaborative fashion consumption practices – Investigation of consumer personality traits through the lenses of the theory of planned behavior“ (übersetzt etwa: Treiber und Hemmnisse für verschiedene Formen des kollaborativen bzw. gemeinsamen Modekonsums – Untersuchung der Persönlichkeitsmerkmale von Konsumenten durch die Linse der Theorie des geplanten Verhaltens). Ich schreibe insgesamt drei Artikel, in denen es um kollaborativen Konsum in verschiedenen Kontexten geht. Der erste Artikel ist eine quantitative Studie, in der es um Treiber und Hemmnisse für die Nutzung von Kleiderbibliotheken und Kleidertauschpartys geht. Darin untersuche ich den Einfluss verschiedener Einstellungen und Charakteristika auf die Intention zur Nutzung kollaborativer Konsummodelle für Kleidung. Im zweiten Artikel geht es um eine Kleiderbibliothek, die ich zusammen mit Schülern der 9. und 10. Klasse einer Gemeinschaftsschule gegründet habe. Hier geht es darum zu untersuchen, wie sich die Einstellung von Jugendlichen gegenüber Kleidung und einer nachhaltigen Nutzung verändert und wie sich die Gründung der Kleiderbibliothek auf die Wertschätzung für Kleidung auswirkt. Im letzten Artikel geht es dann um einen interkulturellen Vergleich zwischen amerikanischen und deutschen Studenten bezüglich kollaborativer Konsumstile im Bereich Kleidung.
Kannst du bitte kurz darstellen, was kollaborativer Konsum bedeutet?
Kollaborativer Konsum ist geprägt durch eine gemeinschaftliche Nutzung mehrerer Personen und umfasst Modelle wie Mieten, Tauschen, Teilen, Leihen, Verschenken und so weiter. Das heißt, im Vordergrund steht nicht mehr unbedingt der persönliche Besitz, sondern eher die Nutzung des Kleidungsstückes. Durch die intensivere Nutzung wird das Kleidungsstück besser und öfter genutzt, der Lebenszyklus wird verlängert und Ressourcen können gespart werden. Insbesondere durch die Entwicklung des Internets hat sich diese Form des Konsums entwickelt und verbreitet.
Wieso ist das Thema der neuartigen kollaborativen Modekonsummodelle für dich wichtig?
Ich persönlich finde das Thema wichtig, weil es eine gute Alternative zum klassischen Fast Fashion Konsum bietet. Meiner Meinung nach ist es nicht unbedingt zielführend, immer wieder zu betonen, wie schlecht Konsum ist, und den Leuten Verzicht vorzuschreiben. Viel wichtiger ist es meiner Ansicht nach, verantwortungsvoll zu konsumieren und Alternativen zu bieten, die Spaß machen und für einen nachhaltigen Konsum begeistern. Für diejenigen, die viel Wert auf neue Trends und Abwechslung im Kleiderschrank legen, bieten Modelle wie Mieten und Tauschen zum Beispiel die Möglichkeit, trotzdem nachhaltig zu konsumieren.
Was hast du zuvor studiert? Hattest du schon während des Studiums einen persönlichen Bezug zu dem Thema nachhaltige Mode?
Im Bachelor habe ich BWL mit dem Schwerpunkt Umweltmanagement studiert. Im Master dann Nachhaltiges Wirtschaften an der Universität Kassel. Das Thema nachhaltige Mode hat mich schon immer interessiert, aber richtig damit auseinandergesetzt habe ich mich dann erst in meiner Doktorarbeit.
Du veranstaltest immer mal wieder Näh- und Repaircafés – finden sie großen Anklang? Woher kommt aktuell der Wille von Konsument_innen, wieder selber etwas zu reparieren oder zu nähen?
Die Workshops in den Nähcafés sind immer sehr, sehr gut besucht. Als Motivation nennen viele Teilnehmer, dass es Ihnen einfach Spaß macht in Gemeinschaft mit anderen etwas selbst in Handarbeit herzustellen. Der Gemeinschaftsaspekt ist ganz wichtig. Die Leute beraten und helfen sich gegenseitig und die Atmosphäre ist immer sehr freundschaftlich. Die Kleidung, die sie nähen, können sie außerdem ganz nach ihren eigenen Ideen gestalten. Gleichzeitig können sie ihren Kleiderkonsum dadurch nachhaltiger gestalten und Ressourcen schonen. Die Kleidung, die wir zum Upcycling benutzen, wird dadurch noch mal genutzt und landet nicht im Müll oder Kleidercontainern. Das Gleiche trifft auf die Kleidung zu, die bei uns repariert werden kann. Vielen Teilnehmern ist der Nachhaltigkeitsgedanke durchaus wichtig. Ich würde sagen, der Wille wieder selbst etwas zu reparieren oder zu nähen, hat auf jeden Fall etwas mit dem wachsenden Nachhaltigkeitsbewusstsein zu tun, aber eben auch mit dem Trend zum Selbermachen und der Gemeinschaftsaspekt.
Der zweite Teil des Interviews zu kollaborativen Kleiderkonsum und Fashion Libraries folgt hier.
Fotos: FEMNET/ C. Becker-Leifhold