Wenn es keine Bilder gibt, dann müssen wir uns Bilder suchen – Interview mit monströös

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Allgemein Faire Medien Interview
Teamfoto von monströös

In unserer Videoserie „Fair Fashion 2030“ geht es um die Vision einer fairen Modeindustrie und wie dieses Ziel erreicht werden kann. Die Gestaltung und Umsetzung der vier Clips hat das Berliner Animationsstudio monströös übernommen. Mit lebhaften Zeichnungen machen die Videos schon heute greifbar, wie die Zukunft aussehen kann. Die zwei Animatorinnen Anna Levinson und Ana Maria Angel und der Sounddesigner und Komponist Matija Strnisa haben an der Filmuniversität Babelsberg studiert und danach mit vier weiteren Absolvent_innen der Uni das Studio gegründet. Im Interview mit Lea Wittich erzählen sie von ihrer Ausbildung und den Möglichkeiten und Schwierigkeiten, die mit dem Bebildern von politischen Themen einhergehen.

Ihr seid beinahe ein reines Frauen-Team, würdet Ihr Euch als feministisch bezeichnen?

Ana: Generell sehen wir uns als sehr sozialen Verein. Zusammen haben wir uns noch nicht mit feministischer Theorie auseinandergesetzt, da sind die Meinungen wahrscheinlich alle noch unterschiedlich. Aber so wie wir arbeiten, würde ich sagen „ja!“.

Arbeitet Ihr häufiger zu politischen Themen?

Ana: Wir bekommen viele Aufträge zu politischen Themen.

Anna: Ich glaube das sind sogar die meisten Aufträge, da wir viel mit Gewerkschaften und NGOs zusammenarbeiten. Aber auch bei anderen Auftraggebern geht es häufig um politische Themen.

Matija: Ja, das sehe ich auch so. Ich mache zwar auch Musik zu Filmen, die sich nicht nur mit politischen Inhalten auseinandersetzen, aber es kommt häufig vor.

Ist das etwas, was Euch wichtig ist? Oder passiert das einfach, weil es vielleicht dem Medium naheliegt?

Ana: Das ist glaube ich beides. Die Dinge, die sonst schwer zu zeigen sind, lassen sich durch Animation einfacher bebildern – wenn auch anders. Aber es sind auch Themen, die uns interessieren.

Anna: Dazu muss man sagen, dass wir, als wir das Studio gegründet haben, eine Art schwarze Liste geschrieben haben, auf der steht, mit wem wir nicht zusammen arbeiten wollen und eine Liste, die festlegt, für wen wir gerne arbeiten wollen. Es ist uns sehr wichtig nicht nur Jobs zu machen, mit denen wir Geld verdienen können, sondern Dinge zu tun, wo wir voll und ganz hinter stehen. Ich könnte zum Beispiel nicht guten Gewissens für eine Zigarettenmarke arbeiten. Themen, wie zum Beispiel von FEMNET vertreten werden, sind natürlich etwas ganz anderes, weil ich da komplett hinter stehen kann. Danach suche ich mir auch die Projekte aus. Ich kann natürlich nicht für alle sprechen – wir sind sieben Leute im Team – aber ich denke, das sehen die Meisten so.

Auf Eurer Homepage sagt Ihr, dass Eure Arbeit dort ansetzt, wo die Bilder fehlen. Intransparenz und der Mangel an Informationen sind in der Bekleidungsindustrie ein großes Thema. Wie geht ihr an die Visualisierung von solch sensiblen Themen heran?

Ana: Wir sind natürlich keine Experten für alle Themen. Da muss man sich ein bisschen reinfuchsen: Viel lesen und vor allem mit den Leuten reden, die zu uns kommen. Das was wir können, ist Metaphern finden und Bilder erfinden. Die Hintergrundrecherche führt zu einer Bildsprache und man sieht schnell, was funktioniert und was nicht. Unser Job ist es, die Bilder zu finden, die eine gute Übersetzung sind.

Gibt es da auch Grenzen, wo Ihr sagt, das möchte ich nicht zeigen?

Ana: Ja, das gibt es schon. Das gilt nicht nur für Animation, sondern Filme im Allgemeinen. Es sind einfach sehr viele Entscheidungen zu treffen. Es beginnt bei der Frage, wo die Kameras platziert werden, wie Du die Farben benutzt und so weiter. Deswegen gilt es in jeder Komposition zu wissen, was will ich vermitteln, was will ich zeigen und was soll der Zuschauer fühlen? Die Antworten auf die einzelnen Fragen, entscheiden darüber, wie man mit dem Thema insgesamt umgeht.

Welche Möglichkeiten bietet Animation im Vergleich zu dokumentarischen Bildern?

Anna: Alles ist möglich. Die Freiheit ist total schön: Ich kann einen Hund in die Luft fliegen lassen, wenn ich das will! Das drückt der Satz aus, den Du vorhin schon erwähnt hast: Wenn es keine Bilder gibt, dann müssen wir uns Bilder suchen, die die Gefühlswelt der angesprochenen Themen möglichst gut darstellen.

Ana: Es gibt keine Grenzen!

Anna: Genau, man kann ein bisschen Gott spielen und die Welt gestalten, wie man will. Animation ist etwas für Leute, die immer noch Kinder geblieben sind!

Ausschnitt aus Clip 1 von monströös

Bildsprache zum Fühlen: monströös lässt die Zuschauer_innen in die Utopie eintauchen (Foto: © monströös/FEMNET)

In den Videoclips für FEMNET geht es darum, wie die Modeindustrie 2030 aussehen soll. Wie habt Ihr euch auf die Videoreihe vorbereitet?

Anna: Für mich war es sehr wichtig einen passenden Stil zu finden, der sich durch die ganze Serie durchziehen kann und der einen Unterschied macht zwischen „Wie ist es heute?“ und „Wie soll die Zukunft aussehen?“. Die Zukunft ist im Vergleich zum Jetzt bunter gestaltet, positiver. Der Stil sollte nicht zu schwer sein, um zu zeigen, dass es eine bessere Version der Modeindustrie geben kann: Es kann schöner werden.

Als ich einigen Leuten den Film gezeigt habe, wurde ich sogar gefragt, ob die Bekleidungsbranche heute schon so ist. Die Idee war es, dem Zuschauer das Gefühl zu geben, dass ein Wandel möglich ist und dass das, was wir zeigen, keine unerreichbare Utopie ist.

Welche Herausforderungen seht ihr in dem Thema „Menschenrechte in der Bekleidungsindustrie“?

Anna: Es ist manchmal schwer bestimmte Bilder zu finden, wenn der Text schon sehr visuell ist. Wenn beispielsweise die Rede von einer Abwärtsspirale ist, möchte ich nicht unbedingt genau diese Spirale darstellen. Da versuchen wir noch einen Schritt weiter zu gehen und den Text so zu vermitteln, dass Bild und Ton miteinander interagieren und spielen können statt sich zu doppeln. Dann kann es auch mal schwierig sein, Bilder zu finden, die das erfüllen. Wenn man zum Beispiel über Kinderarbeit spricht, will man nicht unbedingt ein Kind bei der Arbeit in einer dunklen Ecke zeigen, sondern das eher symbolisch lösen.

Matija: Beim Ton und Bild ist es nicht nur interessant zu schauen, was man macht, sondern vor allem, was man weglässt. Was nicht vertont wird, wird vielleicht visualisiert, so entsteht ein belebtes Spiel zwischen beiden Komponenten.

Zeichentrick für Erwachsene ist selten reines Entertainment. Ich habe den Eindruck, dass sich das Medium häufig mit schwierigen Themen auseinandersetzt. Welche Rolle hat das Gespür für den Umgang mit Themen wie Ungerechtigkeit und Gewalt in Eurer Ausbildung?

Ana: Wir hatten nicht direkt Kurse, die in diese Richtung gingen. Wahrscheinlich ist es in anderen künstlerischen Studiengängen ähnlich. Man ist sehr frei in dem, was man in den eigenen Projekten umsetzt. Die Ziele der Projekte sind häufig persönliche Anliegen. Und manchmal sind das schwere oder belastende Themen. Manche Arbeiten sind aber auch à la Disney: Alles ist schön und gut. Und dann gibt es auch richtig schwere Arbeiten, die extrem tiefgängig sind. An unserer Uni ist es nicht unbedingt angedacht, dass man in eine politische Richtung gehen muss. Aber wenn man will, ist man frei das zu tun.

Findet Ihr, alle Studiengänge sollten politischer und sozialkritischer sein?

Anna: Das ist schwer zu beurteilen, weil ich nicht weiß, wie politisch andere Unis sind. Ich habe aber das Gefühl, dass der Umgang mit solchen Themen in Deutschland schon ziemlich stark ist. Ich habe jemanden getroffen, der chinesische Austauschstudenten in Deutschland betreut. Dort herrscht die Kultur „Was der Professor sagt, muss stimmen!“. Hier ist es eher so, dass man das, was die Professoren sagen, hinterfragt, weiter forscht und vielleicht sogar am Ende feststellt, dass das totaler Schwachsinn ist. Man bildet sich seine eigene Meinung. Es gefällt mir sehr gut, dass die Lehre dazu motiviert, den eigenen Kopf zu benutzen und alles kritisch zu hinterfragen. Aber für ganz Deutschland kann ich das auch nicht sagen, da das sehr von der Uni und dem Studiengang abhängt. Wenn man Mathematik studiert, trifft man wahrscheinlich auf weniger politische Inhalte im Studium als in einem Bereich, wo es darum geht gesellschaftliche Themen zu visualisieren.

Ana: Das sehe ich auch so. Auch wenn ich nicht für alle Unis sprechen kann, würde ich sagen, dass das kritische Nachdenken gefördert wird. Das ist eine wichtige Methode: Man lernt etwas und hinterfragt es immer wieder. Die Kunsthochschulen motivieren zum sozialkritischen Denken.

 

Vielen Dank an Ana, Anna und Matija und das gesamte Studio monströös!

Hier geht’s zur Videoserie „Fair Fashion 2030“ auf Youtube (weitere Clips folgen bis Ende 2018)

Titelfoto: © monströös

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