Fair Fashion im Hörsaal: Wissen vermitteln und zum Handeln ermutigen – das Projekt FairSchnitt

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Interview Studium

Seit Ende 2011 richtet sich FEMNET u.a. mit dem Projekt FairSchnitt an Studierende und Lehrende modebezogener Studiengänge. Das Ziel: Soziale Standards und menschenwürdige Produktion muss Teil der Hochschullehre werden. Künftige Bekleidungstechnikerinnen, Modedesigner und Textilmanagerinnen müssen das Thema schon im Studium kennenlernen, um später im Beruf Veränderungen einzuleiten. Anne Neumann, Projektreferentin von FairSchnitt, glaubt: Studierende müssen das Thema für sich annehmen und damit arbeiten lernen. Auch wenn es nicht immer einfach ist, eigene ethische Werte gegen das gängige Wirtschaftsmodell durchzusetzen.

Welches Ziel verfolgt FEMNET mit dem Projekt „FairSchnitt“
Mit dem Projekt FairSchnitt möchten wir an allen modebezogenen Studiengängen in Deutschland, beispielsweise Modedesign, Modejournalismus oder Textiltechnik, Themen wie Menschenrechte und Arbeitsbedingungen im Pflichtteil der Lehrpläne verankern. Das ist deshalb so wichtig, weil die Studierenden dieser Fächer diejenigen sind, die später in ihrem Berufsfeld darauf hinwirken können, dass sich etwas verbessert. Weil es nicht ausreicht, wenn zwei, drei kleine Labels das umsetzen, sondern die ganze Branche umdenken muss. Mittelfristig entwickeln und organisieren wir Workshops, die Lehrende in ihre Seminare oder sonstige Veranstaltungen einbauen können, und versuchen die Themen auch mit anderen Mitteln (etwa mit Ausstellungen, Unterstützung bei Abschlussarbeiten usw.) an die Hochschulen zu bringen. Ziel ist es, Wissen zu vermitteln – den Studierenden, aber auch den Dozent_innen. Langfristiges Ziel ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Textilarbeiterinnen weltweit.

Seit wann gibt es das Projekt?
So, wie das Projekt aktuell konzipiert ist, läuft es seit Anfang 2015, davor gab es Vorgängerprojekte. Ganz am Anfang wurde eine Studie erstellt, in der geprüft wurde, was schon zu dem Thema an Hochschulen passiert und wo noch Unterstützung gebraucht wird. Danach wurden die Workshops bzw. die Workshopformate entwickelt. Aktuell liegt der Fokus auf der Überarbeitung und Vertiefung der Workshops und auf der Bewerbung des Angebotes an Hochschulen.

Wo steht das Projekt jetzt, Mitte 2016?
Wir haben die Hälte der zwölf Module, die im Vorgängerprojekt entwickelt worden sind, überarbeitet und aktualisiert. Das war notwendig, weil sich einiges geändert hat und wir durch die Benutzung der Module auch Schwachstellen und Methodenfehler gefunden haben, die wir nun beheben konnten. Bis zum November überarbeiten wir alle Module. Insgesamt haben wir im Jahr 2015 an acht unterschiedlichen Hochschulen insgesamt 14 Workshops durchgeführt. 280 Studierende haben teilgenommen. Bei unseren zwei Expert_innen-Workshops konnten sich Dozent_innen mit unseren Multiplikatorinnen, die regelmäßig geschult werden, zu Spezialthemen austauschen. Damit geben wir Impulse für die Arbeit der Lehrenden!

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Das Projekt „Trägst Du fair?“ an der Hochschule Niederrhein

Wir haben viele interessierte Praktikantinnen, die das Projekt unterstützen und natürlich nochmal ein ganz anderes Know-How zurück an ihre Fakultäten mitnehmen und weitere Vernetzung ermöglichen, so auch selber als Multiplikatorinnen wirken. Wir haben ein Hochschul-Projekt an der Hochschule Niederrhein betreut. Neun Studierende haben dazu geforscht, warum so viele Konsument_innen zu Discounter-T-Shirts greifen, wenn sie doch eigentlich viel über die Arbeitsbedingungen zum Beispiel in Bangladesch wissen. Außerdem haben wir 2015 und 2016 bisher insgesamt acht Vorträge von Gästen aus Nicaragua, Kambodscha, Rumänien und Indien für Modestudierende und -dozent_innen organisiert. Gerade diese Begegnungen mit Praktikerinnen aus den Produktionsländern machen viel Eindruck. Wir haben gemerkt, dass da viel Interesse ist, das aber oft nicht unterstützt oder nicht genutzt wird.

Was bietet FairSchnitt genau an und welche Lücke schließt es an Universitäten?
Wir bieten Workshops zu zwölf unterschiedlichen Themen an. Diese können durch den modularen Aufbau einzeln gehalten oder zu mehrtägigen Workshops kombiniert werden. Manche sind als Einführung konzipiert – für Studierende, die sich noch nie mit Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie beschäftigt haben. Der Vorteil ist, dass es inhaltlich und methodisch über gewöhnliche Seminare hinausgeht, da wir mit persönlichen Eindrücken arbeiten und mit Formaten des globalen Lernens eher eine Diskussion darüber anregen können, was jede und jeder einzelne innerhalb seines (zukünftigen) Berufsfeldes tun kann, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Daneben haben wir aber auch spezialisierte Themenblöcke im Portfolio. An manchen Hochschulen werden sehr gute Seminare zu Themen wie „Corporate Social Responsibility“ angeboten, was super ist, aber zu Arbeitsbedingungen von Frauen in südindischen Spinnereien können wir vertiefendes Wissen liefern. Das können Professor_innen, die tausend andere Sachen bedienen müssen, nicht leisten.

Wie ist Dein Ausblick für das nächste halbe Jahr? Was wünschst Du Dir für das Projekt?
In der zweiten Jahreshälfte von 2016 wird vor allem die große Konferenz „FAIR FASHION works? Unternehmensverantwortung im Modestudium“ dominieren. Da wünsche ich mir rege Teilnahme von möglichst vielen Hochschulen, weil das ein Format ist, mit dem wir viele Dozent_innen und Studierende erreichen können, mit denen wir sonst noch nicht zusammenarbeiten. Es wäre toll, wenn sich dabei gute Diskussionen ergeben, die auch nachhaltig wirken, und dass immer mehr Fakultäten das aufgreifen und in den Hochschulplänen verankern. Ich sehe aber ohnehin, dass das zunehmend passiert. Studierende der Hochschule Reutlingen haben beispielsweise erzählt, dass sie an der Wirtschaftsfakultät jetzt einen CSR-Beauftragten haben, den wir kontaktieren können. Da tut sich was!

Sonst wünsche ich mir für die Zukunft natürlich einiges: Dass viele Hochschulen die Workshops annehmen, dass wir Module zu neuen Themen entwickeln und bestehende überarbeiten und auf den neusten Stand bringen können – Recherchen zu Arbeitsbedingungen bringen immer wieder neue Ergebnisse hervor –, dass wir unsere Zielgruppe ausweiten und künftig beispielsweise auch mehr mit Lehramtsstudierenden arbeiten können.

Netzwerken auf der Fair & Friends 2015

Netzwerken auf der Fair & Friends 2015

Ich wünsche mir, dass die Ausstellung weiterhin viel ausgeliehen wird, weil sie sehr gut ist und weil auch persönliche Geschichten der Frauen aus Kambodscha und Bangladesch gezeigt werden. Auch wenn wir uns das wünschen: Wir können nicht überall einen Vortrag mit Aktivistinnen aus Produktionsländern organisieren, es muss also andere Wege geben, diese Geschichten sichtbar zu machen. Die Ausstellung ist dabei eine gute Alternative.

Nicht zuletzt wünsche ich mir, dass FEMNET eine Diskussionsplattform für Studierende, Lehrende und Praktiker_innen schaffen kann, die ins Gespräch darüber kommen, was wirklich die Gründe für schlechte Arbeitsbedingungen sind, was jede_r einzelne ändern kann und muss und auch wie man das machen kann – denn die verschiedenen Wege sind ja durchaus diskussionswürdig. Diese Diskussionen gibt es natürlich schon in den Workshops, aber sie könnten noch tiefer geführt werden. Ich habe manchmal Sorge, dass nicht alle immer ihre Position, ihre Bedenken äußern, weil es da eine große Kluft zu geben scheint, zwischen dem, was man als moralisch für richtig hält und wie es in der Praxis im Unternehmen umgesetzt werden kann. Das ist total schwer, natürlich. Aber wer sich damit beschäftigt, muss Wissen aufbauen und lernen diese Position zu vertreten – auch gegen Widerstand. Da denke ich, dass der Blog dafür ein gutes Format sein kann. Ich wünsche mir, dass ganz viele Studierende das als Ziel, sich damit auseinanderzusetzten, für sich mitnehmen und den Blog als Plattform nutzen, Ideen zu entwickeln und sich auszutauschen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellten Susanne Kupka und Caterina Marcucci.

Fotos Quelle: FEMNET

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