Azadi – Mode für Freiheit! Ein Traum aus Seide und Baumwolle und der Wille, tatkräftig zu helfen

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Label Startup

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg: Mit der Überzeugung, dass faire Handelswege in der Textilbranche möglich sind, gründete FARCAP – Faire Mode gGmbH in Fürth mit Unterstützung der Modeschulen Nürnberg und der indischen Organisation „STOP“ (Stop Trafficking and Oppression of children and Women) ein innovatives Geschäftsmodell: „Azadi“,  so lautet der indische Begriff für Freiheit. Das Label „Azadi“ steht für schicke Mode „made fair in India“ mit westlichem Flair: „Mode durch Mädchenpower – Freiheit statt Kinderhandel“ oder kurz Azadi – Mode für Freiheit.

Elke Klemenz, Geschäftsführerin von FARCAP, erzählt die eindrucksvolle Entstehungsgeschichte der Geschäftsidee als Chronologie von engagiertem Handeln, Verantwortungsbewusstsein, Mut und Herzblut, die zur Erfolgsstory eines großartigen Konzeptes für faire Mode wurde.

Gerade erst berichtete  Shruti hier im Blog über ihr Studienprojekt, das die Menschen eines Dorfes in Indien zu Autoren und Nutznießern ihrer Arbeit und ihres Erfolgs macht. Genau hier setzt auch das Konzept von „Azadi“ an, indem es die Menschen, die die Kleidung entwerfen und produzieren mit dem Projekt wachsen und davon profitieren lässt.

Von Elke Klemenz

Herbst 2013: Ein Mädchen und seine Reise – die Idee wird geboren

Der STOP -Freundeskreis organisiert eine Wanderausstellung zum Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution. Eine junge indische Frau, nennen wir sie Rama, berichtet in Schulen und bei Veranstaltungen von ihrem Schicksal und wie es sich dank der NGO STOP veränderte. Im Rahmen ihrer Reise besucht sie mich mit ihren Gasteltern (Fam. Vogt-Heeren) in unserem Ladengeschäft in Fürth. Sie würde gerne Schmuck und kleine Accessoires verkaufen. Mir erscheint das wenig lukrativ für beide Seiten. Gewinne mit Modeschmuck sind im Verhältnis zum Aufwand der Fertigung sehr gering. Aber die Kleidung der jungen Frau beeindruckt und inspiriert mich. Sie meint, dank ihrer Schneiderausbildung bei STOP wäre es kein Problem, eine kleine Kollektion zu entwerfen und zu produzieren. Gesagt, getan. Bereits im Mai 2014 sind Tunikas und Hosen im indischen Stil bei einer Modenschau vertreten und finden umgehend Absatz. Aber wie soll es jetzt weitergehen?

Nicht Spenden, sondern den jungen Frauen Indiens eine Perspektive im eigenen Land geben – das war unsere Intention. Wir wollen aufzeigen, dass es andere, nachhaltigere Wege für Produktion und Vertrieb gibt und wir möchten dazu beitragen, dass faire, modische und erschwingliche Alternativen zur Massenproduktion eine Chance bekommen. Es geht uns darum, das Bewusstsein zu stärken, dass die Mode, die wir tragen, eine Verantwortung für Mensch und Natur beinhaltet.

Herbst 2014: Eine Reise nach Indien – die Suche nach Produktionspartnern beginnt

Unsere erste Produzentenreise. Wir besuchen zuerst STOP in einem kleinen Stadtteil in Neu-Delhi. Wir besprechen die Vorgehensweise, hören genau zu, was sich die Frauen und die Verwaltung von STOP vorstellen. Wir wollen nichts „aufsetzen“, sondern ein Gespür dafür entwickeln, welche Menschen, welche Kultur hinter unserer Kleidung steht. Denn wer die Produktionsstätten und die Menschen, die dort arbeiten, kennt und respektiert, wird ein anderes Einkaufsverhalten entwickeln. Die Zulieferer in der textilen Kette haben dann ein Gesicht. Sie sind nicht länger anonym. Während wir auf der Suche nach ökologischen Stoffen weiter reisen, wird in Delhi eine kleine Firma gegründet, „Thousand Dreams“, die die Grundlage für das neue Label „Azadi“ und den Export schafft.

Bei den Stoffen – vom Baumwollanbau über Spinnen und Stricken bis zum Färben und Bedrucken – gilt es viele Aspekte zu beachten. Wir sehen Kinder im Färbebad und Chlorbleiche, die direkt in den Boden sickert! Aber wir werden auch fündig im positiven Sinn. Bei einem zertifizierten Betrieb, der zwar relativ klein ist, aber Verantwortung für die Mitarbeiter_innen und ökologische Aspekte übernimmt, kaufen wir die Musterstoffe für die erste Kollektion ein.

Frühjahr 2015: Strukturen nehmen Form an – die Geschäftsidee nimmt Fahrt auf

Wir sind erneut in Indien und arbeiten gemeinsam an den Mustern. Wir diskutieren unsere Vorstellungen von Nähten, Schnitten und Accessoires und sie werden von den Verantwortlichen umgesetzt. Wir wollen dem Endverbraucher nicht nur Vertrauen, sondern auch Transparenz bieten und weil wir uns auch selbst eine unabhängige Kontrollorganisation wünschen, bemühen wir uns um die Anerkennung als Lieferant des Weltladen-Dachverbandes. Nach ca. 50 Seiten umfassenden Fragebögen, einem Audit in Fürth und der Einreichung sämtlicher relevanter Papiere bekommen wir das Siegel für 2 Jahre. Hier werden nicht nur Arbeitsbedingungen und ökologische Aspekte hinterfragt, sondern es wird auch die Entwicklung des Projektes gefordert. Dabei sind z.B. die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter_innen sehr wichtig. Zusätzlich zur klassischen Ausbildung zur Schneiderin, engagieren wir eine Schnittdirektrice der örtlichen Modeschule, die mit den jungen Frauen die Erstellung und Gradierung von Schnittmustern übt. Langsam aber mit einer soliden Grundlage entstehen jetzt Strukturen. Die Geschäftsidee entwickelt sich sehr positiv!

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Sommer 2015: Die Kollektion kommt nach Deutschland – der Minister nimmt Notiz: 1000 Bestellungen folgen – der Durchbruch!

Die Kollektion geht auf Reisen. Wir präsentieren „Azadi“ auf der Fairhandelsmesse in Augsburg. Dr. Gerd Müller, Minister für Entwicklungszusammenarbeit, betont bei einem Besuch an unserem Stand die Bedeutung von Graswurzelinitiativen wie „Azadi“ und wünscht viel Erfolg. Der Referent der deutschen Botschaft in Delhi besuchte daraufhin „Azadi“ und STOP und informiert sich persönlich über die Fortschritte. Eine zweite Messe – die INNATEX in Wallau – bringt uns den Durchbruch: Azadi-Modelle finden Anklang von Radolfzell (Bodensee) bis Warnemünde (Ostsee). Es gehen weit über 1000 Bestellungen ein!

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Herbst 2015: Die Bestellungen laufen, während die Kollektion 2017 entworfen wird

Wieder in Delhi sind wir beeindruckt, was die Förderung von Eigeninitiative bewirkt. Seit unserem letzten Besuch hat sich der Rohbau, den STOP eigens für azadi begonnen hat, zu hellen und freundlichen Räumen gemausert. Durch Spenden und Crowdfunding konnten mehrere Industriemaschinen angeschafft werden, dazu noch Arbeitsmöbel für Zuschnitt, Lagerung und die Verpackung der Stoffe sowie der fertigen Kollektion. Die Bestellungen werden nun bearbeitet, während gleichzeitig die Kollektion für 2017 entworfen und diskutiert wird. Eine weitere, wichtige Verknüpfung für das Verständnis der Menschen hinter unserer Kleidung ist der Besuch einer Modeschule in Tirupur (Südindien). Sie haben sich gut vorbereitet, zeigen uns ihr großes Können und sind sehr aufmerksam während unserer Präsentation von „Azadi“. Sehnlichst wünschen sie sich einen Austausch mit Schüler_innen einer deutschen Modeschule, um auch die westliche Sicht für Design und Schnitt zu lernen. Wir vermitteln gerne den Kontakt zu den Modeschulen in Nürnberg (inzwischen gab es bereits erste Gespräche).

An dieser kleinen Zeittafel kann man erkennen, wie intensiv die Arbeit an einem nachhaltigen Projekt ist. Es kostet viel Zeit und Mühe, aber es lohnt sich! Blind für diese Formen von nachhaltiger Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wählen viele große Marken den einfacheren Weg: Hier liegen Schnitt und Design nur in europäischer Hand; Rohware und Konfektion werden über Agenturen vermittelt, die den billigsten Anbieter suchen, ohne geringste Beachtung von Sozialstandards oder ökologischen Gesichtspunkten. Am Ende sind es Katastrophen wie Rana Plaza, die den Menschen vor Augen führen, was in dieser scheinbar so heilen Modewelt passiert. Es lohnt sich daher, genau hinzuschauen, was man kauft. Und es hat sich einiges getan in den letzten Jahren.

Was wir als Konsumenten tun können:

Engagieren:  bei NGO`s wie EineWeltLäden, der Kampagne für Saubere Kleidung oder FEMNET e.V. (und es gibt noch viele mehr)

Informieren:  z.B. via Siegel & Zertifikate – was sagen sie uns? Einen guten Überblick gibt es auf der Seite von FEMNET e.V. oder der Christlichen Initiative Romero

Uns bewusst werden: Wo stehe ich im Leben? Welche Mode passt zu mir? Wer gezielt einkauft, wird seine Kleidung lange tragen und Fehlkäufe vermeiden. Weitere Informationen zu nachhaltiger Mode auch unter farcap.de und über azadi unter azadi-fashion.com.

Text und Fotos: Elke Klemenz,  Geschäftsführerin FARCAP Faire Mode gGmbH, Gustavstr. 35 in 90762 Fürth

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